55.000. Für
viele eine unvorstellbare Zahl, für viele bloß das Ergebnis
einer statistischen Erhebung,
doch letztlich für einzelne eine schmerzliche Zahl, denn circa
55.000 Frauen in Deutschland
werden jährlich mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert.
Greifbarer wird die Zahl wenn man sich vor Augen führt, dass
alle 4 Minuten eine Frau den Schock
dieser unheildrohenden Diagnose durchstehen muss.
Mit anderen Worten: Jede
neunte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.
Dank medizinischer Fortschritte werden die meisten Frauen geheilt.
Medizinisch geheilt.
Was bleibt, sind Narben: Narben auf der Haut und in der Seele.
Die Künstlerinnen Reni Wolf, selbst an Brustkrebs erkrankt,
und Wanda Korfanty-Bednarek wagen eine Umkehrung der Statistik:
Sie porträtierten acht brustkrebserkrankte und eine gesunde
Frau, die Neunte.
Die Darstellung dieser neun Frauen in Gemälden und Fotos dokumentieren
das „weiterleben können“.
Dabei stellt sich auch immer wieder die Frage nach der Schönheit. Was
ist Schönheit? Die Künstlerinnen definieren den
Begriff „Schönheit“ in ihrer einmaligen Ausstellung
neu und stellen sie überzeugend dar.
Eva Schumacher-Wulf, Schirmherrin, Herausgeberin
von MamaMia! ,
Das Brustkrebsmagazin. |
Essen. Sie zeigen nicht makellose
Schönheit, sondern Schönheit mit Makeln: Reni Wolf und
Wanda Korfanty-Bednarek haben Frauen mit Brustkrebs portraitiert.
Ihre Bilder sind nun in einer bemerkenswerten Ausstellung in der
Zeche Königin Elisabeth in Frillendorf zu sehen. Sie haben die Statistik auf den Kopf gestellt und die gängigen
Vorstellungen auch. Wenn die Künstlerinnen Reni Wolf (52)
und Wanda Korfanty-Bednarek (49) jetzt nackte Tatsachen zeigen,
geht es ihnen nicht um makellose Schönheit, sondern gerade
um Makel, um Narben auf Haut und Seele. Und während statistisch
jede neunte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkrankt,
zeigen sie Portraits von acht erkrankten Frauen und von nur einer
(bislang) Gesunden. „Zu wahr um schön zu sein...?,
fragt der Titel der Ausstellung, die am Sonntag um 15 Uhr in
der großen Galerie in der Zeche Königin Elisabeth
(Elisabethstraße) in Frillendorf eröffnet wird. Bei Brust-OP denken die meisten an Silikon, nicht an Tumore In
einer Zeit, da viele bei Brust-OP vor allem an Silikon, Körbchengröße
oder Busenwunder denken, sind hier Frauen zu sehen, deren Brüste
operiert wurden, um Tumore zu entfernen, um Leben zu retten. „Ich
wollte den Gegensatz zu all den Heidi Klums zeigen”, sagt
Reni Wolf. Dabei ging es ihr weder um die Bebilderung einer Diagnose
noch setzte sie auf einen vermeintlichen Reiz des Hässlichen.
Hässlichkeit nämlich zeigt sie nicht - sondern Lebenslust,
Selbstbewusstsein, Mut. Traurigkeit
strahlt nur ein Bild aus: das Selbstportrait von Reni Wolf.
Auch sie hat eine Brustkrebs-Behandlung hinter sich, doch
was sie bewegte, als sie vor knapp zwei Jahren mit ihrem
Projekt begann, war der Tod ihres Mannes. „Das Bild entstand
um seinen ersten Todestag herum, darum ist es so traurig.” Andererseits
hätten dieses Bild und die Fotos, die Korfanty-Bednarek
von ihr machte, die anderen Frauen ermutigt, am Projekt teilzunehmen. Keine der Frauen wollte zu Hause die Hüllen fallen lassen Freilich
wollte keine zu Hause die Hüllen fallen lassen,
und so traf es sich, dass die Künstlerinnen eine möblierte
Wohnung als Studio nutzen konnten. Dort schafften sie mit Tüchern
und andere Requisiten eine angenehme Atmosphäre. Trotzdem
sei sie anfangs auch selbst befangen gewesen, gesteht Wanda Korfanty-Bednarek: „Aktfotografie
war ein Novum für mich.“ Vier, fünf Stunden hätten
sie mit jeder Frau verbracht, sie in Szene gesetzt. Jede habe
dabei ein Symbol für ihre Persönlichkeit gewählt.
Für die dreifache Mutter Rita etwa bedeute Kaffee vor allem
Muße. So sitzt sie nun mit ihrer Tasse zwar an einer Theke,
die an Hopper gemahnt, doch das Bild atmet keine Tristesse, sondern
genussvolles Alleinsein. Entwickelt
haben sich die Bild-Inszenierungen oft aus den Fotoserien,
die ursprünglich nur als Vorlage gedacht waren, damit die
Frauen nicht so häufig nackt Modell sitzen müssten.
Am Ende erkannten die Künstlerinnen den eigenständigen
Wert der Fotos und fassten sie mit Reni Wolfs Bildern in einem
Begleitbuch zur Ausstellung zusammen. Da sieht, liest man, was
die Aktion bei den Frauen bewirkte. „Ich empfinde mich
als schön, weil ich so schön in Szene gesetzt bin“,
sagt Karola, die Stewardess, die auf Wolfs Bild selbst Schwingen
zu haben scheint. Plötzlich ist auch ein Besuch in der Sauna wieder möglich Beflügelt fühlte sich auch die Frau, die wieder in
die Sauna geht, obwohl sie anstelle der linken Brust eine Narbe
trägt. Wohlwollend begleitet wurde das Projekt auch von
den Familien. So hatte eine Tochter kein Problem damit, dass
Fremde ihre nackte Mutter in einem Meer aus Luftballons sehen: „So
lange Du nicht im Wohnzimmer hängst..“ Die
Ausstellung ist montags von 17 bis 21 Uhr sowie dienstags
bis freitags von 15.30 bis 19.30 Uhr zu sehen. Außerdem
nach Vereinbarung: Tel. 78 08 58. |